Ich war früh wach, weil die Nachbarn auch schon früh Geräusch gemacht haben. Gut so - es war wieder ein langes Programm
geplant. Ausnahmsweise mal Frühstück an einem Tisch - sowas gibt's hier für die Zelter! Zeitig aber gemütlich ging es los,
auf den Malojapass zu. Höhe: "nur" 1815 m, aber von hier aus knapp 1500 m Höhenunterschied auf ca. 26 km. Dachte ich. Nachdem
ich 26 km bergauf gefahren war und sich bei mir gerade ein "fast geschafft"-Gefühl einstellen wollte, traute ich meinen Augen
kaum, was da noch vor mir lag. Es sah aus, als ob sich die Straße in Serpentinen eine
Wand hochschraubt. Die folgenden 2 km waren also sozusagen der "eigentliche" Pass!
Schon die ganze Zeit über war mir übrigens klar geworden, dass heute Sonntag war: Karawanen von Sonntagsausflüglern heizten
den Pass hoch, insbesondere zur Rudelbildung neigende Motorradfahrer (nein, die kriegen hier kein Foto spendiert).
Interessante Überholmanöver gab es zu beobachten. Motorrad überholt Auto überholt Fahrrad vor Kurve.
Relativ bald hatte ich heute früh wieder die Grenze von Italien zurück in die Schweiz überquert. Ein nettes Gespräch gab es
noch mit einem Radfahrer auf Tagesausflug. Er war gerade von einer einjährigen Reise zurückgekommen. Da musste ich mein
anfängliches "ja" auf die Frage, ob ich auf einer längeren Tour sei, noch einmal revidieren.
Dann wurde es für mich landschaftlich völlig überraschend. Vom Malojapass bis St. Moritz, einem weiteren touristischen Höhepunkt
der Tour, blieb die Strecke etwa auf gleicher Höhe und kam über Sils-Segl und Silvaplana an mehreren traumhaften Seen vorbei.
Die Kulisse erinnerte mich an Kanada-Prospekt-Fotos, allerdings passte die Szenerie aus den vielen Wind- und Kitesurfern
wiederum weder ins Kanada-Klischee noch zu dem, was ich hier im Schweizer Gebirge erwartet hätte. Beim mühsamen Versuch eines
Selbstauslöserfotos von der anderen Straßenseite kam mir noch ein netter radelnder Familienvater zu Hilfe.
So - und dann St. Moritz. Unglaublich schön gelegen, eine beeindruckende Nobel-Residenz am Berghang wie aus einer
Modellbahn-Anlage. Unten am See Segler, oben Bergbahnnen, dazwischen Edel-Hotels mit Portiers und Rolls-Royce. Passend zu
dem Gesamteindruck fand hier heute auch noch ein "British Classical Cars Meeting" statt, so dass in der ganzen Gegend RR's,
Bentleys, Jaguars etc. jeden Alters herumfuhren. Und zwischendrin knipsten sich die Edeltouristen gegenseitig vor Sportwagen
und See.
Meine weitere Strecke führte mich 30 km bei leichtem Rückenwind seicht bergab durch das Inntal. Das Ober-Engadin, eine traumhafte
Gegend, ist sprachlich Romanisch-Gebiet. Einige Ortsnamen-Highlights: Cinous-chel, S-chanf, Chamues-ch. Meine heutige Station,
Zernez, 6 km vor dem Flüelapass, sieht aussprechbarer aus :-) Ich zeltete auf einem Campingplatz direkt am Inn, der hier fast
schon zu laut idyllisch rauschte. Der Zeltaufbau fand noch in Nachmittagshitze statt, aber als die Sonne hinter den nahen Bergen
verschwunden war, war die Hitze wie ausgeknipst. |